Beim Verurteilen wird die Sache
komplexer und ggf. herausfordernder. Es ist klar, dass es sich zunächst
um eine negative Bewertung handelt. Doch wird dieser negativen Bewertung
("mag ich nicht") beim Verurteilen noch eine starke emotionale Energie
beigegeben. Zumeist in Form von Ablehnung, Härte und Unnachgiebigkeit.
Ich beginne gegen das Ungewollte zu kämpfen, will es auf keinen Fall in
meinem Leben haben und fördere auf diese Weise seine Existenz.
Durch die starke emotionale Energie wird
die Existenz dessen, was ich verurteile in meinem Leben gestärkt. Die
Energie folgt dem eigenen Fokus. Und wir können unseren Fokus nicht von
etwas abwenden zu etwas anderem hin, wenn wir dieses Etwas
zutiefst ablehnen. Wir brauchen Energie, um Mauern aufrecht zu erhalten,
die das Abgelehnte von uns fern halten soll. Das kostet jede Menge
Kraft und kann bis hin zu Krankheit und Tod führen.
Ein weiterer Aspekt dieser Verurteilung
ist, dass es sich um ein abgelehntes Etwas handelt, das ja auch in
mir ist. Wenn tatsächlich alles eins ist (und für mich fühlt es sich
deutlich so an), dann bin ich alles und dann bin ich auch das, was ich
verurteile. Das ist eine zusätzliche Belastung meiner geistigen,
energetischen und körperlichen Lebenssysteme.
Wenn ich die Verurteilung u.U. bereits
in mein Unterbewusstsein verschoben habe, kämpfe ich in meiner Realität
mit Drachen, die ich selbst dauernd neu erzeuge, ohne zu wissen, dass
ich die Schöpferin bin. (Dies geschieht ausgiebig auch auf kollektiver
Ebene.) Ich gebe den anderen, dem Leben, den Umständen die Schuld an
meinem Erleben und verurteile sie.
Doch genau in dem Gefühl, dass das, was
ich verurteile, ja in mir sein muss, wenn alles eins ist, liegt auch
eine Chance, damit aufzuhören. Höre ich auf, mit dem Drachen "dort
draußen" zu kämpfen und schaue vorbehaltlos und mir wohl gesonnen bis in
meine dunkelsten Seelenecken, kann ich finden, was ich in mir
verurteile und warum. Manchmal bedarf es einigen Mutes, wirklich
hinzuschauen und mir selbst zu vergeben, denn oft widerspricht das, was
dort in den letzten Winkeln meiner Seele zu finden ist, der gängigen und
erlernten Moral.
Manchmal erscheint es mir auch
unmöglich, anzuerkennen, dass auch das, was ich zutiefst ablehne und
verurteile, Teile von mir selbst sind, zu mir dazu gehören. Doch bisher
habe ich immer einen Weg gefunden. Meistens fehlten mir noch einige
Informationen oder Ideen oder Gefühle, um ein wirklich umfassendes Bild
zu bekommen. Meine geistigen Begleiter und Freunde haben mir immer die
richtigen Impulse gegeben, die ich brauchte, um meine Selbstverurteilung
umzuwandeln in eine Art: "Oh je, so was habe ich mal getan?! Es tut mir
leid. Ich sehe deinen Schmerz. Ich sehe meinen Schmerz. Ich habe mir
jetzt dafür vergeben. Ich mag das nicht, doch es darf ein Teil von mir
sein. Ich nutze diese wertvolle Erfahrung für mich und damit für All-Es
und lenke jetzt meinen Fokus auf Schönheit und Freude."
Natürlich haben dann jene Menschen, die
mir als Spiegel dienten, noch nicht damit aufgehört zu tun, was ich
ursprünglich verurteilt habe. Doch ich bin durch meine innere Befreiung
nicht mehr emotional an sie gebunden. Ich kann meine Kraft, meine
Energie in das stecken, was ich auf der Erde erfahren möchte. Ich habe
meinen Fokus aus der Vergangenheit ins Jetzt geholt, aus dem
Unterbewusstsein, dem Vergessen, dem Dunkel ins Licht der bewussten
Klarheit. Ich brauche jene Menschen nicht mehr verurteilen und
abzulehnen, sondern es reicht, wenn ich mich einfach anderen Menschen
zuwende. Und wenn ich möchte, kann ich noch einen Schritt weiter gehen
und ihnen die Liebe und das Verständnis zuteil werden lassen, die ich
vorher mir selbst geschenkt habe. Nicht einfach nur über den Verstand,
"weil es so spirituell ist", sondern weil ich es zutiefst so fühle.
Ich möchte betonen, dass ein
solches Verständnis nicht dazu führt, zu allem "ja" und "amen" zu sagen.
Gerade, wenn es sich um ein tief gefühltes Verstehen des Anderen
handelt, besteht die Möglichkeit, Grenzen zu setzen, wo Grenzen
hingehören, ein klares "Nein" zu sagen, wo ein klares "Nein" hingehört.
Doch es ist ein Unterschied, ob ich dies aus einer bewussten Klarheit
und aus der Liebe heraus tue oder ob ich es aus einem ungeklärten
Versuch tue, die Dinge in mir selbst nicht an mich heran kommen zu
lassen und auf diese Weise geradezu dankbar für das Feindbild bin, das
mir da geliefert wird, weil es mich von mir selbst ablenkt.
Zu guter Letzt möchte ich jedoch meine Aussage aus meinem Beitrag "Das Ich & die Grenzenlosigkeit" wiederholen: … auch die Verurteilung ist ein Teil von All-Es. Es bringt also nichts, das Verurteilen zu verurteilen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen jede Menge Nachsicht und Sanftmut mit uns selbst.Welche-Auswirkungen-haben-Bewertung-und-Verurteilen-auf-unser-Leben